ebm-papst im Wandel der Zeit: Das von Gerhard Sturm geprägte Unternehmen ist zum Global Player geworden und stellt sich mit neuer Technik und gewachsener Unternehmenskultur auch jetzt wieder neu auf. Ein Gespräch mit CEO Dr. Klaus Geißdörfer.
Wenn Klaus Geißdörfer bei der Weihnachtsfeier von ebmpapst in dieser Woche wieder sein Akkordeon auspackt, dann wird gesungen, und die Belegschaft rückt vielleicht noch ein wenig näher zusammen. „Ich musste selbst erst erleben, dass Weihnachtsfeiern hier mehr bedeuten als eine bloße Zusammenkunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind ein Symbol für unsere Unternehmenskultur, die Gerhard Sturm entscheidend geprägt hat“, sagt Klaus Geißdörfer über den Jubilar, der an diesem Dienstag 90 Jahre alt wird. Im Jahr 2021 übernahm CEO Dr. Klaus Geißdörfer die Leitung des Weltmarktführers von Ventilatoren und Motoren.
Das Unternehmen hat seit seiner Gründung vor mehr als 60 Jahren eine beeindruckende Entwicklung genommen. Im Jahr der Gründung 1963 stand die Landesregierung der Ansiedlung im ländlichen Raum noch misstrauisch gegenüber. Sie bestand auf einer Obergrenze von 85 Mitarbeitern, damit keine Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abgeworben würden. Die Auflage hatte keinen Bestand. Heute ist ebm-papst ein global agierendes Unternehmen mit rund 14000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – und nicht nur die Landesregierung ist dankbar für die vielen Arbeitsplätze im ländlichen Hohenlohe.
Groß denken
Die Atmosphäre im Jagsttal mag familiär sein. Doch der Chef des Konzerns mit fast zweieinhalb Milliarden Euro Umsatz blickt weit über das Tal hinaus. „Groß denken und weiter denken, das sind wichtige Punkte“, betont er. Die Größe macht sich auch in der Führung des Unternehmens bemerkbar. Gerhard Sturm war noch täglich im Werk unterwegs und schaute seinen Leuten über die Schulter. „Das schaffe ich maximal noch einmal die Woche“, sagt Klaus Geißdörfer. Doch seine Tür stehe häufig offen – dann sei das eine ernstgemeinte Einladung, auch einzutreten.
Die wird angenommen. Vor wenigen Wochen erst kam ein Mitarbeiter aus der Produktion mit einem vielversprechenden Vorschlag zum Geschäftsführer. „Es geht um die Wiederverwendung von Produkten, also eine unserer zentralen Herausforderungen“, erzählt Klaus Geißdörfer. „Eine sehr gute Idee.“ Jetzt wird eine kleine Einheit gegründet und der Mitarbeiter darf dort Verantwortung übernehmen.
Auf diese Weise fördert Geißdörfer eine Art Start-up-Kultur im Konzern. Es sollen viele solcher agilen Teams entstehen, die schnell neue Prototypen auf den Weg bringen. „Wir wollen, dass noch mehr Unternehmergeist entsteht.“ Das wird zunehmend wichtig, denn neue Geschäftsmodelle sollen bis 2030 zehn Prozent des Geschäfts ausmachen. Auf der anderen Seite wurde zuletzt die Antriebstechnik an Siemens verkauft, um sich auf das Kerngeschäft Heiz- und Lufttechnik zu konzentrieren.
Ein paar Konstanten
Dieser Kurs wird auch von den anderen Gesellschaftern des Unternehmens mitgetragen. Heinz und Günther Ziehl hatten sich bei der Gründung jeweils ein Drittel der ebm-Anteile gesichert. Heute vertreten Chloë McCracken und Jan Philippiak die Interessen dieser zwei Familienzweige im Beirat, den Ralf Sturm als Sohn von Gerhard Sturm vervollständigt. Ein altes Ziel ist auch ein aktuelles: ebm-papst soll Standards setzen, wie einst mit der EC-Technologie, mit der das Unternehmen heute mehr als 50 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet. Der Anspruch ist, technologisch an der Spitze zu bleiben.
Ein Beispiel dafür sind die neuen Highspeed-Turbokompressoren, die in Bezug auf Effizienz und Geräuschentwicklung den Wettbewerb weit hinter sich lassen. Dafür verbeißt sich Klaus Geißdörfer auch mal in die Details. „Da setz ich mich unglaublich gerne mit unserem Technikchef Tomas Smetana zusammen, um in die Tiefe zu gehen. Nur so kann man neue Ideen entwickeln.“
Wie ein roter Faden zieht sich das Credo von Gerhard Sturm durch die Jahrzehnte: Jedes neu entwickelte Produkt soll seinen Vorgänger ökonomisch und ökologisch übertreffen. Schon sein Nachfolger HansJochen Beilke propagierte deshalb das heute fast universelle Label „Green Tech“ für besonders effiziente Ventilatoren.
Nachhaltigkeit: Die nächste Auszeichnung
Das Motto passt bestens zu den Nachhaltigkeitsbestrebungen des Unternehmens. Gerade wurde ebm-papst in Düsseldorf in der Kategorie Motoren und Turbinen zum zweiten Mal nach 2013 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Das zeigt, welches Fundament Gerhard Sturm hier gelegt hat – und wie darauf aufgebaut wurde.
Die Grenzen werden immer wieder verschoben. Wenn ein Produkt wie der EC-Motor bereits einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent hat, stößt die Optimierung zwangsläufig an Grenzen. Das größte Potenzial liegt deshalb im digitalen Bereich, besonders in der Künstlichen Intelligenz. „Mit unseren Ventilatoren werden wir das Gesamtsystem der Heizund Kältetechnik intelligent machen“, sagt Geißdörfer. Damit könne die Energieeffizienz um 20, 30 Prozent, teils um 50 Prozent gesteigert werden.
Klaus Geißdörfer hat das wichtige Thema KI von Anfang an vorangetrieben. Für ihn ist es ein Glücksfall, dass in Heilbronn, sozusagen vor den Toren Mulfingens, Europas größter KI-Hotspot entsteht – der IPAI. In diesem Innovationspark ist ebm-papst frühzeitig vertreten und arbeitet gemeinsam mit Partnern am Produkt „intelligenter Ventilator“. KI könne schon bald zusätzliche Sensoren überflüssig machen, ist Geißdörfer überzeugt. Die Daten, die damit gesammelt werden, werden so für neue Geschäftsmodelle genutzt.
Bis heute ist Geißdörfer aber von der Unternehmenskultur fasziniert. „Diese extreme Herzlichkeit und Menschlichkeit habe ich in der Form noch bei keinem anderen Unternehmen wahrgenommen. Das ist schon einmalig.“ In Mulfingen werde die Einbürgerung eines Mitarbeiters gefeiert wie andernorts eine 25jährige Betriebszugehörigkeit. Da lassen die fleißigen, manchmal etwas rauen, aber immer aufgeschlossenen Hohenloher nichts anbrennen.
Verwurzelt in Hohenlohe
Apropos Hohenlohe. Die Nachteile des Standorts weitab von Autobahnen und großen Städten war immer auch ein Pluspunkt: lebenswerte Umgebung, viel Raum für neue Ideen. Das bleibe so, ist Klaus Geißdörfer überzeugt. „Wir haben zudem, was die Lufttechnik anbelangt, ein perfektes Ökosystem hier.“ Wettbewerber in direkter Nachbarschaft beleben das Geschäft. Das seien nahezu ideale Standortbedingungen.
Das ist wichtig, denn ein Unternehmen wie ebm-papst muss sich ständig weiterentwickeln. So konzentrieren sich die Mulfinger derzeit auf das klassische Kerngeschäft und versuchen, nicht nur die Luftwirbel am Schaufelrad zu minimieren, sondern auch wirtschaftlichen Turbulenzen auf den Märkten zu begegnen. Derzeit sind die Zeiten für das zweitgrößte Unternehmen in Hohenlohe durchaus anspruchsvoll. Auch in Mulfingen dient Kurzarbeit dazu, die Stammbelegschaft zu halten. In den nächsten Monaten, so die Prognose, soll es schließlich wieder aufwärts gehen.
Ein wichtiger Faktor ist die internationale Ausrichtung, die unter Gerhard Sturm frühzeitig erfolgte: Während Europa aus bekannten Gründen aktuell schwächle, wachse das Geschäft in Asien, erläutert der CEO. Großes Potenzial gebe es in den USA, wo erst jetzt verstärkt auf die EC-Technologie gesetzt werde. Mehrere Großkraftwerke könnten eingespart werden, wenn alle AC-Ventilatoren durch solche mit EC-Technik ersetzt würden. Nicht zuletzt die überall entstehenden Rechenzentren können das Einsparpotenzial, das die Technik aus Deutschland bietet, gut gebrauchen.
„Gerhard Sturm kann extrem stolz darauf sein, was er in den letzten Jahrzehnten hier gemeinsam mit allen Beteiligten aufgebaut hat“, würdigt Geißdörfer das Lebenswerk des Jubilars. Die große Stärke von ebm-papst bleibe die Innovationskraft. Der Firmengründer wiederum sieht sein Werk in guten Händen. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn Klaus Geißdörfer das noch viele Jahre macht.“
Übrigens: Es mag Zufall sein, doch die musikalische Ader des heutigen Chefs, die nicht nur in der Weihnachtszeit zum Vorschein kommt, hat bei ebm-papst Tradition. Gerne im Unternehmen erzählt wird die Anekdote, als Gerhard Sturm 2005 in Korea vor hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft gefragt wurde, ob er ein deutsches Volkslied zum Besten geben könne. Zunächst hat er sich geziert, aber als begeisterter Sänger konnte er nicht ablehnen. Mit „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ sang er sich in die Herzen der Gastgeber.
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