Regionale Stärke in Zeiten des Handelskriegs

Die Hannover Messe 2025 wird als Zäsur in Erinnerung bleiben. Eine Industrieschau, die ungewöhnlicherweise während laufender Koalitionsverhandlungen stattfand, wie VDMA-Präsident Bertram Kawlath zu Beginn anmerkte – und die mit einem wirtschaftspolitischen Erdbeben endete.

Hannover Messe in der Ruhe vor dem Sturm

Eine seltsame Spannung lag in der Luft. Während in den Messehallen noch Innovationen präsentiert und Kontakte geknüpft wurden, bereitete die Trump-Administration wenig zurückhaltend bereits die Zölle vor, die nun die Börsen erschüttern und die manches Unternehmen in Existenznöte treiben werden.

BDI-Präsident Peter Leibinger fand schon am ersten Messetag ungewöhnlich deutliche Worte: „Die Stimmung ist so schlecht, wie ich sie noch nie erlebt habe.“ Andere versuchten, den Optimismus hochzuhalten und Chancen zu betonen. Doch nun, da die Märkte weltweit ins Wanken geraten, stellt sich die Frage: Was ist die realistische Einschätzung in diesen turbulenten Zeiten?

Heilbronn-Franken: Ein Leuchtturm der Innovation

Inmitten dieser schwierigen Gemengelage präsentierte sich Heilbronn-Franken als zukunftsfähige Region. Das wurde bereits bei der Eröffnungsveranstaltung deutlich, als der prestigeträchtige Hermes-Award an Siemens ging – und damit indirekt auch das Audi-Werk Neckarsulm Anerkennung fand. Die prämierten KI-Copiloten wurden unter anderem mit und bei Audi in Neckarsulm weiterentwickelt, wo seit Jahren die Digitalisierung von Produktion und Logistik für den gesamten VW-Konzern vorangetrieben wird. Siemens-Vorstandschef Roland Busch würdigte diese Partnerschaft in seiner Rede ausdrücklich.

Ein weiteres Glanzlicht setzte die Besiegelung der Partnerschaft zwischen dem belgischen Chipforschungsinstitut imec und dem Heilbronner KI-Innovationspark IPAI. Die Zeremonie fand im Beisein hochrangiger Gäste statt: Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, EU-Generaldirektorin Kerstin Jorna, imec-CEO Luc Van den hove und weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft – etwa von Bosch und Porsche – lobten die Zusammenarbeit in den höchsten Tönen.

Mit einer Förderung von rund 40 Millionen Euro unterstützt das Land Baden-Württemberg die Ansiedlung des imec. Das neue Kompetenzzentrum namens ACDA (Advanced Chip Design Accelerators) wird neben zehn Professorenstellen weitere 60 hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Die Erwartungen sind hoch – und berechtigt, gilt das imec doch als weltweit führend in der Mikrochip-Forschung.

„Das ist ein toller Tag für Heilbronn, und das Tollste daran ist, dass das imec nach Heilbronn kommt, ohne dass wir dafür bezahlen müssen“, kommentierte Reinhold Geilsdörfer, Sprecher der Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung. Diese Kooperation wird dem Aufbau des KI-Ökosystems in und um Heilbronn weiteren Schub verleihen.

Digitale Souveränität als Antwort auf globale Verwerfungen

In den Messehallen und drumherum setzte Schwarz Digits mit einer bemerkenswerten Kampagne ein deutliches Zeichen. Aufkleber und Plakate mit der Botschaft „Digital Sovereignty from Germany for Europe“ fielen immer wieder ins Auge. Die Digitaltochter der Schwarz Gruppe positioniert sich nicht nur selbstbewusst als eigenständige Marke, sondern arbeitet mit Aleph Alpha gezielt an einer offenen Infrastruktur für verschiedenste Cloud-Plattformen, LLMs und Hardware-Architekturen.

Eine Strategie, die in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen an Bedeutung gewinnt. Die digitale Souveränität Europas könnte sich als entscheidender Faktor erweisen, um wirtschaftliche Verwerfungen abzufedern und technologische Unabhängigkeit zu sichern.

Regionale Champions zeigen Flagge

Beim Hermes-Award-Gewinner des Vorjahres, Schunk aus Lauffen, zeigte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck beeindruckt. Er erinnerte sich noch gut an die letzte Preisverleihung und stellte bei der Roboterhand die naheliegende Frage: „Warum fünf Finger – und nicht acht oder zwölf?“ Die Natur lässt sich in ihrer Effizienz offenbar nicht ohne Weiteres übertreffen.

Auch weitere Unternehmen aus der Region demonstrierten Innovationskraft und Präsenz: Ziehl-Abegg, Bürkert, Bechtle, die Zahnradfabrik Hänel, das Startup Agora Scope und Weber Hydraulik. Sie alle repräsentieren die industrielle Vielfalt und technologische Kompetenz, die Heilbronn-Franken auszeichnet.

Die Bewährungsprobe hat begonnen

Mit den neuen Zöllen steht die deutsche Industrie vor einer ernsten Herausforderung. Im Vorteil sind jene Unternehmen, die bereits Produktionsstandorte in den USA unterhalten. Doch die wirtschaftlichen Erschütterungen werden niemanden unberührt lassen.

Gerade in dieser Situation zeigt sich, wie weitsichtig Investitionen in technologische Souveränität und regionale Innovationskraft sind. Die Hannover Messe 2025 markiert nicht nur das Ende einer Ära relativer Handelsstabilität, sondern auch den Beginn einer neuen Epoche, in der Anpassungsfähigkeit und Unabhängigkeit über Erfolg oder Misserfolg entscheiden werden.

Die Region Heilbronn-Franken hat auf der Messe eindrucksvoll bewiesen, dass sie über jene Qualitäten verfügt, die in diesen Zeiten entscheidend sind. Die kommenden Monate werden zeigen, wie viel Optimismus gerechtfertigt ist.

Alles eine Sache der Perspektive

Die alte Stadtkarte „Treffpunkt Hannover“ aus den 1960er Jahren, die mir kurz vor der Messe in die Hände gefallen ist, sollte übrigens wohl eine Mahnung sein. Sie erinnert an eine Zeit, in der die Welt ebenfalls von Unsicherheit geprägt war – auch wenn es rückblickend nicht mehr so wirkt. Die Hannover Messe war damals schon Ort des technologischen Fortschritts und der internationalen Begegnung.

Als ich bei meiner Abreise in der Straßenbahn saß, kam ich ins Gespräch mit einem jungen Mann aus Taiwan. Auf meinen etwas unbeholfenen Hinweis, dass die Situation mit der großen chinesischen Militärübung gerade nicht so rosig aussieht quittierte er mit viel Gleichgültigkeit. Sie seien das gewohnt. Eine Perspektive, die mich nachdenklich zurückließ.

Christian Gleichauf | wortCraft - Kommunikation in Heilbronn-Franken
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