Ortstafel Ortsschild Heilbronn, dahinter ein kleineres Schild "Bildungscampus"

Warum selbst der Bundeskanzler Heilbronn entdeckt hat

Wo steht Heilbronn? Die Antwort auf diese Frage hat sich innerhalb weniger Jahre fundamental verändert. Mit dem 25-Jahr-Jubiläum der Dieter-Schwarz-Stiftung und dem 85. Geburtstag ihres Gründers bietet sich die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen – und nach vorn zu schauen.

Ein Kanzler räumt Zweifel aus

Dass kürzlich der Bundeskanzler dem Jubilar und seiner Stiftung die Ehre erwies, unterstreicht die gewachsene Bedeutung der Stadt. Beim Festakt auf dem Bildungscampus gestand Olaf Scholz, wie Teilnehmer berichten, er habe vor Jahren noch an der Existenz des öffentlichkeitsscheuen Unternehmers gezweifelt. Damit machte er nebenbei deutlich, dass Heilbronn schon vor längerer Zeit seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Zweifel sind jedenfalls beseitigt, er konnte sich spätestens an diesem Abend persönlich ein Bild von dem Mann machen, der das Rampenlicht scheut und so gut wie nie fotografiert wird. Auf das gemeinsame Selfie von Scholz, Wissing und Schwarz wartet man allerdings bis heute.

Wie aus einer Vision Realität wurde

Dieter Schwarz ist es zu verdanken, dass die Stadt binnen einer Generation vom Industriestandort zu einem aufstrebenden Wissenschaftszentrum, zur Wissensstadt und zum KI-Zentrum aufgestiegen ist. Selbst die Heilbronner schaffen es kaum noch, sich zu vergegenwärtigen, wie das Gelände des heutigen Bildungscampus vor wenigen Jahren noch aussah. Die seit den 1960ern stadtbildprägende Gaskugel etwa sollte ursprünglich als futuristischer „Skyball“ in das Campus-Ensemble integriert werden. Ihr Abriss 2013 markierte vielleicht endgültig den Aufbruch in eine neue Ära.

2018 erreichte die Entwicklung schließlich mit der Gründung des TUM Campus Heilbronn eine neue Dimension. Der neue Standort ist der erste Ableger der bayrischen Top-Uni in einem anderen Bundesland. Der Platzhirsch, die Hochschule Heilbronn, ist da bereits mit Verwaltung und den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen hergezogen, die DHBW ist seit 2010 auf dem Bildungscampus vertreten – all das Verdienste der Stiftung.

Heilbronn als KI-Zentrum

Zeitweise kamen hier im Abstand weniger Monate neue Einrichtungen nach Heilbronn – Fraunhofer- und Ferdinand-Steinbeis-Institut etwa, oder die Programmierschule 42 – oder neue, wie die Startup-Schmiede Campus Founders, wurden gegründet. Der Zuschlag für den baden-württembergischen Innovationspark Künstliche Intelligenz markierte 2021 endgültig eine Zäsur. Seither hat sich der IPAI zu einer der großen Hoffnungen Deutschlands im internationalen KI-Wettlauf entwickelt. Heilbronn hat sich damit endgültig einen Platz auf der Landkarte der europäischen Innovationsregionen gesichert.

So schnell ging es wohl noch mit keiner deutschen Großstadt vorwärts in den vergangenen Jahrzehnten. Das spiegelt sich zunehmend auch in der Aufmerksamkeit, die die Stadt erhält – sei es von überregionalen Medien, sei es von Politik oder der Wirtschaft.

Zwischen Skepsis und Anerkennung

Eins ist sicher: Für solche Entwicklungen gibt es selten nur Lob. Erst recht nicht, wenn ein Unternehmer, ein außerordentlich reicher dazu, sie weitgehend im Alleingang ermöglicht. Über viele Jahr blickte die Presse – vor allem die aus der Landeshauptstadt, aber auch überregionale Publikationen – mit einer Mischung aus Misstrauen und Arroganz auf das, was hier im Entstehen war.

Das hat sich spürbar verändert. Ein Anspruch wie der des Ipai, zum „größten Ökosystem für Künstliche Intelligenz in Europa“ werden zu wollen, wird dabei logischerweise nicht ohne kritische Prüfung weiterverbreitet. Doch inzwischen kommen Journalistinnen und Journalisten aus Düsseldorf, aus Berlin oder München nach Heilbronn, machen sich ihr eigenes Bild, und zeigen sich anschließend nicht selten überzeugt. In diesem Sommer erschienen innerhalb von wenigen Tagen so viele positive Artikel über Heilbronn, dass man fast erwarten musste, dass die nächste Gegenreaktion nicht lange auf sich warten lassen würde.

Sie kam, jedoch mit einem unerwarteten Dreh. Die in der Stadt selbst angestoßene Diskussion um Einzelhandelsprobleme und Döner-Dichte wurde aufgegriffen und schaffte es bis in die Tagesschau. Einige Medien, so schien es, waren dankbar, dass man endlich einmal einen anderen Blickwinkel auf Heilbronn gefunden hatte.

Neue Dynamik, neue Herausforderungen

So positiv die Entwicklungen nun auch von vielen betrachtet werden mögen – es sind beileibe nicht alle begeistert. Um Aufmerksamkeit und Fördergeld wird weiter mit harten Bandagen gekämpft. Vor allem das Land darf hier nicht in den Verdacht geraten, sich von der mächtigen Dieter-Schwarz-Stiftung vereinnahmen zu lassen. Etablierte Wissenschaftsstandorte wie Stuttgart, Karlsruhe oder Tübingen beobachten den Aufstieg des vermeintlichen Emporkömmlings auch mit Sorge. Schließlich könnte es der finanzkräftigen Dieter-Schwarz-Stiftung gelingen, die gewachsenen Strukturen der Forschungslandschaft zu verschieben.

Die Sorge der etablierten Standorte hat Gründe: So ergriffen die Schwarz-Gruppe und die Stiftung beispielsweise 2023 die Initiative bei einer der größten KI-Investitionen in Deutschland – und Technologieriesen wie Bosch und SAP vertrauten auf sie. Eine halbe Milliarde Euro wurde der Heidelberger KI-Hoffnung Aleph Alpha in Aussicht gestellt, rund 100 Millionen Euro investierten die drei Unternehmen und weitere Partner direkt. Wie diese Geschichte ausgeht, ist derzeit eine der großen unbeantworteten Fragen – und sie zeigt, dass es trotz vieler guter Ideen auch immense Risiken gibt.

Mit frischen Kräften in die Zukunft

Vielleicht ist es am Ende nur ein weiterer Hinweis, dass das Tempo in Heilbronn keinesfalls gedrosselt werden darf. Die Dynamik soll eine neu formierte Führungsmannschaft der Dieter-Schwarz-Stiftung ab 2025 fortsetzen. Neben dem bisherigen Geschäftsführer Reinhold Geilsdörfer, der künftig den Vorsitz übernimmt, stoßen die bisherige Experimenta-Chefin Bärbel Renner aus Heilbronn und Gunther Friedl, derzeit noch Dekan der TUM School of Management in München, dazu. Dieter Schwarz zeigt mit dieser Verjüngungskur auch, dass er noch lange nicht lockerlassen möchte in seinem Bestreben, hier zu seinen Lebzeiten noch seine Vision einer Transformation Heilbronns zur Wissensstadt verwirklicht zu sehen.

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🔷 LinkedIn-Beitrag vom 21. November: Silicon Valley am Neckar? #Heilbronn geht seinen eigenen Weg.

🔷 Ein Plädoyer für die KI-Region

🔷 Interview mit Oliver Hanisch: „Wir brauchen nicht das nächste Silicon Valley“.

🔷 Heilbronn macht Schlagzeilen, ein Artikel aus der Heilbronner Stimme vom 8.1.2022 (falsches Datum im Beitrag)